Die Schaffung des Weibes
Nach einer indischen Legende
Brahma, Schöpfer allen Lebens,
saß und sann im Weltenmai.
Sann und grübelte vergebens,
wie das Weib zu schaffen sei.
Denn, als er den Mann geschaffen,
hatte seine Meisterhand
alle festen, alle straffen
Elemente schon verwandt.
Wie das neue Werk beginnen,
da kein Stoff mehr übrig war?
Erst nach langem, tiefem Sinnen
ward’s ihm endlich offenbar.
Und er nahm der Blume Sammet
und den frommen Blick des Rehs
und die Glut, die lodernd flammet
und den kalten Hauch des Schnees.
Nahm den schlanken Wuchs der Gerte
und des Windes Flattersucht
und des Diamanten Härte
und die Süßigkeit der Frucht.
Nahm den zarten Schmelz vom Laube
und den Flaum vom Sperlingskleid,
das Gegirr der Turteltaube
und des Tigers Grausamkeit.
Und vom morgendlichen Rasen
nahm er die Tränenflut des Taus,
nahm die Fruchtbarkeit des Hasen
und die Eitelkeit des Pfaus.
Nahm vom Schilfe das Gezitter
und des Vollmonds schwellend Rund
und des Sonnenstrahles Flitter
und des Hähers Plappermund.
Nahm der Kletterpflanze Schlingen,
nahm der Schlange Wellenleib
und aus allen diesen Dingen
schuf der Weltenherr d a s W e i b !!
Und dem Manne zum Genossen
gab er es mit gütigem Sinn,
doch bevor ein Mond verflossen
trat der Mann vor Brahma hin.
Und er sprach: „O Herr, das Wesen,
das Du mir so gnadenvoll
zur Gesellschaft hast erlesen,
macht mich elend, macht mich toll!
Ach, es plappert Tag und Nächte,
raubt mir Schlaf und Zeit und Ruh’.
Fordert viel, doch nie das Rechte,
stört und quält mich immerzu.
Es vergiftet mir mein Leben,
es zertrümmert mir mein Glück.
Du, der mir das Weib gegeben,
großer Brahma, nimm’s zurück!“
Brahma tat nach seiner Bitte,
doch nach einer Woche schon
trat der Mann mit raschem Schritte
wiederum vor seinen Thron.
„Herr“, so sprach er scheu beklommen,
„meines Jammers Dich erbarm’!
Seit mir dies Geschöpf genommen,
ward mein Leben leer und arm.
Ach, gedenken muß ich täglich,
wie dies Wesen tanzt und sang,
wie’s mich ansah herzbeweglich
und mit weichem Arm umschlang.
Die geschmeidig sanften Glieder
und das liebliche Gesicht.
Brahma, gib das Weib mir wieder,
meines Lebens Lust und Licht!“
Brahma stillte sein Verlangen;
doch drei Tage kaum danach
kam der Mann mit bleichen Wangen
abermals zurück und sprach:
„Sieh mich, Herr, voll bitterer Reue!
Ach, ich war ein blinder Tor.
Seit das Weib hier ward aufs Neue
bin ich ärmer als zuvor.
Niemals wieder wird betrügen
mich ihr Lächeln und ihr Kuß.
Winzig klein ist das Vergnügen,
riesengroß ist der Verdruß!
Ach, mir bleibt kein Hoffnungsschimmer,
drum erhör’ mich, großer Gott:
Nimm das Weib mir ab für immer!“ -
Brahma rief: “Bin ich Dein Spott?
Scher’ Dich heim! Für Deine Klagen
bleibt mein Ohr fortan verschanzt.
Lern’, so gut es geht, ertragen,
was Du nicht entbehren kannst!“
Traurig schlich der Mann von hinnen
und im Wandern seufzt er bang:
„Großer Brahma, nicht entrinnen
werd’ ich meinem Untergang.
Was Du mir heraufbeschworen
durch das Weib, verschmerz’ ich nie:
Beide Mal bin ich verloren -
mit ihr – oder ohne sie!“